Westfälische Rundschau, 20.05.2005, Lokalausgabe Dortmund

Hans Böckler, Meister des Kompromisses

Biografie des Vaters der Mitbestimmung:
Hans Böckler, Meister des Kompromisses

Die Geschichte des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) muss nicht gerade umgeschrieben werden. Doch die neue Biografie über Hans Böckler, den ersten DGB-Chef, die gestern in den Räumen der Büchergilde am Ostwall vorgestellt wurde, lässt einzelne Vorgänge der frühen Nachkriegszeit in neuem Licht erscheinen.

Von "anderen Akzenten" spricht Karl Lauschke. Den Privatdozenten hat während zweijähriger Forschungsarbeit über Boeckler vor allem überrascht, dass Sachverhalte in der Vergangenheit oft unzureichend dokumentiert oder auch falsch dargestellt worden sind. Dabei geht es um Fragen, ob die Gewerkschaften die "tradierten Politikmuster" der Weimarer Republik nach dem Krieg einfach fortgesetzt haben und die Chance auf wirklichen gesellschaftlichen Neubeginn verspielt haben - und wenn ja, aus welchen Gründen. War es Angst vor den Kommunisten oder der "aufgezwungene Kapitalismus" der Amerikaner?

Lauschke hat in Böckler den moderaten, aber entschiedenen Gewerkschaftsführer erkannt, der vermittelte und vermitteln ließ (er selbst benutzte den Dortmunder OB Fritz Henßler als Vermittler in die eigene Partei).

Boeckler war ein Verfechter der Einheitsgewerkschaft, die er gegen die Widerstände der Einzelgewerkschaften durchzusetzen trachtete. Arbeitskämpfe wie den so genannten Demonstrationsstreik von 1948 akzeptierte er nur, weil es nicht anders ging. Auch die Mitbestimmung, als deren "Vater" er bis heute gilt, war (s)ein Kompromiss.

Mit Kurt Schumacher und Konrad Adenauer bildete Boeckler das richtungsweisende Dreigestirn der Nachkriegszeit. Wobei der rheinische Hintergrund die Nähe zu Adenauer beförderte. Von gemeinsamen Reisen zu politischen Anlässen weiß man; bezeichnend, dass beide am selben Tag die Kölner Ehrenbürgerschaft erhielten.

Die Böckler-Biografie besteht aus zwei Bänden, die in zwei Ausgaben erschienen sind (bei Klartext und im Bund-Verlag). Band 1 (bis 1945) wiederveröffentlicht Ulrich Borsdorfs Buch von 1982. Für Band 2 hat Lauschke zwei Jahre am Institut für soziale Bewegungen der Bochumer Ruhr-Uni geforscht.

Von Rainer Wanzelius


zit. nach:
http://www.westfaelische-rundschau.de/wr/wr.archiv.frameset.php