WAZ, 03.11.2004, Lokalausgabe Bochum:

Innenstadt traf es am schwersten

Bildband zeigt "Bochum im Bombenkrieg"

Von Jürgen Boebers-Süßmann
Der Schrecken des Bombenkriegs ist nicht
vergessen: 60 Jahre nach dem verheerenden
Luftangriff auf Bochum wird an vielen Stellen
und in manchen Zusammenhängen der Geschehnisse
von 4. November 1944 gedacht.
Zahlreiche Anrufe erreichten die WAZ-Redaktion
nach dem großen Bericht vom Wochenende,
in dem u.a. ein Zeitzeuge seine Eindrücke
vom 4. November schilderte. Bei den Erzählungen
der Leser wurde eines deutlich: Die Erinnerungen
der Generation der heute 70- und 80-Jährigen
sind emotional hoch befrachtet, manche/r
schämte sich am Telefon der Tränen nicht.
Warum das so ist, macht ein Bildband deutlich,
der zur 60. Wiederkehr der Bochumer Schreckensnacht
in die Buchläden kommt. Zusammengestellt
von Monika Wiborni vom Stadtarchiv zeigt
er Bilder von "Bochum im Bombenkrieg" -
es sind erschütternde Aufnahmen, die die
Folgen der Luftangriffe, die zwischen 1943
und 1945 auf Bochum niedergingen, dokumentieren.
Erstmals für/in Bochum in dieser Dichte
und Eindeutigkeit zusammengestellt, erzeugen
die historischen schwarz-weiß-Aufnahmen
eine schreckliche Unmittelbarkeit, die
auch die Nachgeborenen sprachlos macht.
Die Aufnahmen der verwüsteten Kortumstraße,
der eingedrückten Industrieanlagen auf
Zeche Hannibal und beim Bochumer Verein,
und nicht zuletzt die Fotos der Toten in
den Straßen erschüttern immer noch und
immer wieder.
Monika Wiborni, die das im Wartberg-Verlag
editierte Buch (17,80 Euro) zusammenstellte,
hat vier Monaten lang die Archive durchstöbert.
Auch sie ließ die Vergangenheit nicht unbeeindruckt.
Es sei schwer gewesen, das, was sie in
Berichten gelesen und auf Fotos gesehen
hatte, durchzuarbeiten, schildert sie.
"Das ging schon an die Nieren".
Dabei ist "Bochum im Bombenkrieg" bei
aller gebotenen Anteilnahme am Schicksal
der Zivilbevölkerung auch bemüht, Zusammenhänge
deutlich zu machen. "Man kann das nicht
getrennt sehen, die Bombardierungen und
den Anlass des Luftkriegs", sagt Dr. Ingrid
Wölk. Für die Historikerin des Stadtarchivs
muss das, was geschah, dialektisch gedacht
werden: "Wer von den alliierten Bomben
auf Bochum spricht, darf über die deutschen
Bomben auf Guernica, Coventry und Rotterdam
nicht schweigen", so Wölk.
Anlass zur kontroversen Diskussion ist
also allemal gegeben. Die Gelegenheit besteht
bei einer Veranstaltung, die morgen, 4.
November, um 18 Uhr im "Haus der Geschichte
des Ruhrgebiets", Clemensstraße, stattfindet.
Dort gibt es neben einer Dia-Präsentation
zum Bombenkrieg auch ein Referat des umstrittenen
Forschers Jörg Friedrich. In seinem rege
diskutierten Buch "Der Brand" hatte Friedrich
streng aus der Opferperspektive den Luftkrieg
auf Deutschland dokumentiert. "Das war
wissenschaftlich ein absoluter Tabubruch,
ein Perspektivwechsel weg von den ,Deutschen
als Tätern' und hin zu den ,Deutschen als
Opfern'", so Dr. Jürgen Mittag vom Institut
für soziale Bewegungen.
Zuvor gibt es morgen um 17 Uhr eine Veranstaltung
in der Paulus-Kirche, bei der den 1200
Toten des Angriffs vom 4. November gedacht
wird. Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz
legt an der "Trauernden Mutter" einen Kranz
nieder.
Noch einmal ist der Bombenkrieg Thema
eines Zeitzeugen-Berichts. Der bekannte
Bochumer Erwin Steden (Ex-Stadionsprecher
im Ruhrstadion) schildert am 9. November
vor Schüler/innen der Heinrich-Böll-Gesamtschule
die Kriegszeit aus der Sicht eines Bochumer
Jungen. Beginn: 9 Uhr; auch interessierte
Erwachsene sind eingeladen.


zit. nach:
http://www.waz.de/waz/waz.archiv.frameset.php