Proteste gegen staatliche Repression und Überwachung in Westdeutschland 1949-1968

In der geschichtswissenschaftlichen Diskussion spielt die Erforschung der Strafverfolgung und Überwachung von Kommunistinnen und Kommunisten durch die westdeutsche Justiz bisher kaum eine Rolle. Etwa 125 000 eingeleitete Ermittlungsverfahren bis 1968 zeigen jedoch ein Ausmaß auf, das die Mitgliederzahl der KPD bei ihrem Verbot 1956 um annähernd das Doppelte überstieg. In den Ruf der „Verfassungsfeindlichkeit“ und damit in den Fokus der Strafjustiz gerieten neben (vermeintlichen) Kommunistinnen und Kommunisten auch Oppositionelle, die an der Remilitarisierung oder dem Kurs der Westintegration Kritik übten oder in Kontakt zu KPD-Mitgliedern oder Bürgerinnen und Bürgern in der DDR standen.
Diesem Desiderat wird sich das Dissertationsprojekt annehmen, indem es exemplarisch Bündnisse untersucht, zu deren Gründung es in den 1950er Jahren kam und die sich für die betroffenen Personen einsetzten, indem sie rechtlichen und materiellen Beistand organisierten oder sich auch politisch mit ihnen solidarisierten. Da die Bündnismitglieder ein breites politisches Spektrum abdeckten, das vom Kommunismus über die Sozialdemokratie bis in das bürgerlich-liberale Lager hinein reichte und auch Parteilose einschloss, steht die Analyse ihrer Synthese und Entwicklung vor dem Hintergrund des Kalten Krieges im Mittelpunkt der Arbeit. Neben der Untersuchung konkreter Aktionen, die v.a. in der Verteidigung von Straffällen vor Gericht und in der Kritik an der Rechtsprechung und Gesetzgebung lagen, soll ihren Forderungen nach einer Demokratisierung von Justiz und Gesellschaft nachgegangen werden, indem einigende und trennende Vorstellungen in ihren Debatten um die „Demokratie“ sowie ihre Kritik an der staatlichen Definition untersucht werden. Außerdem ist es von Interesse, inwiefern die Bündnisse versuchten, ihre Ideen und Entwürfe in den parlamentarischen Diskurs einzubringen und Ausmaß und Legitimität der politischen Justiz öffentlich zu hinterfragen.
Die Wahl eines akteurszentrierten Ansatzes ermöglicht es, dem Handeln der Akteure auf verschiedenen räumlichen Ebenen nachzugehen, ihre biographischen Hintergründe zu beleuchten und sowohl Dynamiken als auch Kontinuitäten im historischen Verlauf gerecht zu werden. Eingebettet in Forschungen, die v.a. die rechtlichen Hintergründe von staatlicher Repression und Überwachung in der Bundesrepublik beinhalten, wird auf der Grundlage nicht-staatlicher Quellen, wie Publikationen, Dokumentationen und Berichten der Bündnismitglieder den Protesten gegen diese Praxis anhand von Fallbeispielen als „Geschichte von unten“ nachgegangen.

Für weitere Informationen wenden Sie sich an:
Sarah Langwald