Nachruf auf Helga Grebing

Am 25. September 2017 ist die ehemalige Leiterin des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung Prof. em. Dr. Helga Grebing im Alter von 87 Jahren gestorben. Sie gehörte zu den bedeutendsten deutschen Historikerinnen der Arbeiterbewegung.

Helga Grebing (1930-2017) stammte aus einer katholischen Arbeiterfamilie. Von 1947 bis 1953 studierte sie zunächst an der Humboldt-Universität und dann an der Freien Universität in Berlin und promovierte dort 1952 mit einer Arbeit über die Zentrumspartei und die katholische Arbeiterschaft in der Weimarer Republik. Nach einer Tätigkeit als Verlagslektorin, Redakteurin, Abteilungsleiterin an der Volkshochschule in München und Referentin bei der Landeszentrale für politische Bildung in Hessen wurde sie 1970 in Frankfurt am Main im Fach Politikwissenschaft habilitiert. Ihre Habilitationsschrift befasste sich mit der konservativen Kritik an der Demokratie in der Bundesrepublik nach 1945.

Von 1972 bis 1988 war Helga Grebing Professorin für Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Universität Göttingen, bevor sie 1988 auf den neu eingerichteten Stiftungslehrstuhl „Vergleichende Geschichte der internationalen Arbeiterbewegung und der sozialen Lage der Arbeiterschaft“ in Bochum berufen wurde. Mit der Professur war die Leitung des Instituts zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung verbunden, aus dem später, im Jahre 1998, das heutige Institut für soziale Bewegungen hervorging. Helga Grebing leitete das Institut zur Erforschung der europäischen Arbeiterbewegung bis zu ihrer Emeritierung im Jahre 1995. Ihr Nachfolger wurde Klaus Tenfelde (1944-2011).

Während ihrer Tätigkeit in Bochum trug Helga Grebing maßgeblich zur Konsolidierung des Instituts, zum weiteren Ausbau der Institutsbibliothek, zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf dem Gebiet der Arbeiterbewegungs-, Sozial- und Ideengeschichte und zur Etablierung mehrjähriger Forschungsschwerpunkte, u. a. zu strukturellen Wandlungsprozessen in altindustriellen Regionen im Vergleich, zu internationalen Aspekten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus oder zur Sozialgeschichte Mitteldeutschlands und der DDR, bei. Mit ihrem Engagement war auch die stärkere europäische Profilierung des Instituts verbunden.

Obwohl das Spektrum der wissenschaftlichen Interessen von Helga Grebing breit war und bis zur Geschichte des Bildungsbürgertums oder dem deutschen „Sonderweg“ reichte, galt ihr besonderes Augenmerk vor allem der Geschichte der Arbeiterbewegung, der Sozialdemokratie und des demokratischen Sozialismus. Auf diesen Gebieten entstanden seit den 1960er Jahren zahlreiche bedeutende Veröffentlichungen, darunter auch Standardwerke wie „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“, die zwischen 1966 und 1981 elf Auflagen erlebte, in mehrere Sprachen übersetzt wurde und 2007 in einer Neubearbeitung erschien.

In ihren Publikationen und Wortmeldungen richtete sich Helga Grebing nicht nur an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern auch an die breitere, auch politische Öffentlichkeit und war stets bemüht, historische Erfahrungen vor dem Hintergrund der Gegenwart und der Zukunft zu reflektieren. Mit Helga Grebing verliert die deutsche Geschichtswissenschaft eine engagierte und streitbare Intellektuelle und die Arbeiterbewegungsgeschichte eine ihrer wichtigsten Protagonistinnen.